17. Juni 1953

Volksaufstand in der DDR

Niemand konnte damals ahnen, welchen hohen Stellenwert der 17. Juni 1953 in der deutschen Nachkriegsgeschichte gewinnen sollte: Aus einem Arbeiterprotest entwickelte sich in wenigen Stunden ein politischer Volksaufstand – ein Aufstand für Einheit, Recht und Freiheit. Wir müssen den 17. Juni als herausragendes Ereignis unserer demokratischen Entwicklung in Deutschland seit 1848 begreifen.

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Der 17. Juni 1953

Deutsche Geschichte in einfacher Sprache

Was geschah am 17. Juni?
Aus einem Arbeiterprotest und einem Generalstreik in der DDR entwickelte sich spontan ein Volksaufstand, der blutig niedergeschlagen wurde.

Warum protestierten die Bürgerinnen und Bürger?
Sie protestierten gegen den Aufbau des Sozialismus. Die SED-Regierung hatte die Arbeitsnorm erhöht, viele bekamen weniger Lohn.  Der Begriff „Arbeitsnorm“ beschreibt das vom Staat vorgegebene Arbeitspensum.

Wo fand der Aufstand statt?
In Ost-Berlin gestartet ergriff der Streik das Land. Rund 600 Betriebe legten in der DDR ihre Arbeit nieder, z.B. in Leipzig und Dresden.

Wie reagierte die Regierung?
Der sozialistische Staat schlug den Aufstand mit Hilfe der sowjetischen Armee nieder. Die Folgen: mehr als 50 Tote und 10.000 Festnahmen.

Warum ist dieser Tag bis heute wichtig?
Die Bürgerinnen und Bürger erhoben sich zum ersten Mal gegen das kommunistische System. Ihre Beweggründe ähnelten denen, die zur Wiedervereinigung führten.

Wie sah der 17. Juni 1953 aus?

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Ein deutscher Schicksalstag

Nachdem die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter in der Stalinallee in Ost-Berlin mit ihrem Streik ein Signal gesetzt hatten, kam es am 17. Juni 1953 tatsächlich zum Volksaufstand in über 700 Städten und Gemeinden der DDR. Acht Jahre nach dem Ende der ersten deutschen Diktatur sollten erstmals über eine Million Deutsche für demokratische Rechte und Freiheit demonstrierten.

Mit Hilfe von Panzern und der Volkspolizei schlug das sowjetische Militär die Erhebung blutig nieder. Tausende büßten ihren Mut hinter Gittern, mindestens fünfzig mit ihrem Leben. Sowjetische Standgerichte verhängten mindestens 18 Todesurteile.

Zwischen dem Sturz des SED-Regimes 1989 und dem 17. Juni 1953 besteht ein enger Zusammenhang: Zunächst politische und soziale Einzelforderungen, dann der Wunsch nach Freiheit und Demokratie, schließlich nach Wiedervereinigung. Der ausschlaggebende Unterschied: 1989 rollten keine russischen Panzer mehr.

Allen Freiheitserhebungen, die dem 17. Juni im Osten folgten – der Volksaufstand in Ungarn 1956, der Prager Frühling von 1968 – hat das militärische Eingreifen der Sowjets ein Ende gesetzt. Ohne das Eingreifen der sowjetischen Panzer hätten wir eventuell schon 1953 die deutsche Einheit bekommen, denn Walter Ulbrichts Regierung und die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) waren am 17. Juni praktisch entmachtet worden. 

Die Tatsache, dass der Aufstand scheiterte, nimmt nichts von seiner historischen Bedeutung. Festzuhalten bleibt, dass die ostdeutschen Demonstrierenden vom Juni 1953 die ersten waren, die sich in Osteuropa gegen das kommunistische System erhoben hatten.

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Die Vorgeschichte: Wie entstand der Aufstand?

Die SED erhöhte den Druck auf die Arbeiter

Während im Westen das Wirtschaftswunder begann, beschloss die SED auf ihrer zweiten Parteikonferenz im Juni 1952 den Aufbau des Sozialismus und leitete damit eine „Verschärfung des Klassenkampfes“ ein. Die SED regierte ihren Staat und ihre Bürgerinnen und Bürger, die kaum Bürgerrechte hatten, im stalinistischen Geist und mit Härte. Schon wegen kleinster Vergehen, etwa wegen des Diebstahls von Nahrungsmitteln aus purer Not landeten damals viele Menschen im Gefängnis.

1953 war die ökonomische Lage in der DDR so schlecht und die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten so schwierig, dass die sowjetische KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion) eine deutliche Kursänderung von der SED verlangte. Um die wirtschaftliche Situation zu verbessern, sahen Partei und Regierung nur einen Möglichkeit: Es musste mehr produziert werden bei geringeren Kosten. Am 14. Mai beschloss das Zentralkomitee der SED die Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 Prozent.

Am 9. Juni 1953 verkündete die SED ihren „Neuen Kurs“. Er versprach das Ende des Kirchenkampfes, die Überprüfung von Urteilen, die Freilassung von Inhaftierten sowie die Rückgabe von Eigentum an Bauersfamilien und Gewerbetreibende. Ab sofort sollte die bessere Versorgung der Bevölkerung gefördert werden. Die Menschen sahen im „Neuen Kurs“ in erster Linie eine politische Bankrotterklärung. Doch mit dem Druck auf die Arbeitenden wuchs auch ihr Frust, wuchs die Unzufriedenheit im ganzen Land.

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Unruhen am Vortag

Am Morgen des 16. Juni 1953 kamen führende Gewerkschaftsfunktionäre zu der Baustelle des Krankenhauses Friedrichshain, wo am Vortag, dem 15. Juni, nur durch die Einberufung einer Belegschaftsversammlung ein Streik abgewendet werden konnte. Die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter forderten eine Rücknahme der Normenerhöhung. An ihrer Erhöhung der Arbeitsnormen hielt die SED jedoch bis zum 16. Juni fest. 

Die Gewerkschaft versuchte, die Arbeitenden davon zu überzeugen, dass an eine Rücknahme der Normen nicht zu denken sei. Damit war für die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter das Maß voll. Da die Baustellentore während der Versammlung verschlossen worden waren, befürchteten die Arbeitenden, verhaftet zu werden. Um ihnen zu Hilfe zu kommen, legten Arbeiterinnen und Arbeiter von Nachbarbaustellen an der Stalinallee die Arbeit nieder, zogen vor das Tor des Krankenhauses Friedrichshain, brachen es auf und forderten ihre Kolleginnen und Kollegen auf, sich an der Demonstration zu beteiligen.

Die Menge war spontan auf ca. 10.000 Demonstrierende angewachsen und forderte nun den Sturz der Regierung sowie die Abhaltung freier Wahlen und damit das Ende der SED-Herrschaft. Für den nächsten Tag, den 17. Juni 1953, riefen die Arbeitenden den Generalstreik aus.

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Der 17. Juni 1953: Was geschah an dem Tag?

Bereits am Morgen rollten die Panzer

In den frühen Morgenstunden des 17. Juni fanden um Berlin herum Truppenbewegungen statt. Sowjetische Panzer rollten auf Berlin zu. Das sowjetische Oberkommando löste in allen Garnisonen und bei den Truppen im Manövergelände – ein Großteil der in der DDR stationierten sowjetischen Militärmaschine befand sich zu diesem Zeitpunkt im Manöver – erhöhte Gefechtsbereitschaft aus.

Die westlichen Medien machen mobil

Die ganze Nacht durch bis in den Morgen berichtete der Westberliner RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) über die Protestaktion des Vortages. Ort und Zeitpunkt der für den Morgen in Ostberlin geplanten Demonstration wurden mehrfach bekannt gegeben. Stündlich wiederholte RIAS in seinen Nachrichtensendungen ab 23 Uhr folgende Meldung:

Arbeiter aller Industriezweige Ostberlins forderten in den Abendstunden besonders nachdrücklich, dass die Ostberliner sich am Mittwoch früh um 7 Uhr am Strausberger Platz zu einer gemeinsamen Demonstration versammeln sollen. Diese Ankündigungen und Aufrufe wurden von verschiedenen Demonstrationsgruppen bekannt gegeben. Vertreter der Arbeiter und anderer Gruppen der Ostberliner Bevölkerung hoben hervor, dass die Bewegung weit über Ostberlin und über den Rahmen einer Protestdemonstration gegen die Normerhöhung hinausgegangen sei.

Der West-Berliner DGB-Vorsitzende Ernst Scharnowski unterstützte in einem Aufruf an die „Ost-Berliner Kolleginnen und Kollegen“, der am Morgen ab 5.36 Uhr insgesamt viermal über den RIAS verbreitet wurde, die Forderungen der Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter nach Aufhebung der Normerhöhungen. Ein Aufruf zum Generalstreik wurde ihm verboten.

Skript des Aufrufs

Liebe Ostberliner Kolleginnen und Kollegen,

der Deutsche Gewerkschaftsbund betrachtet seit Monaten mit Sorge die soziale Rückentwicklung, die sich bei Euch vollzieht.
Eure demokratischen Selbsthilfemaßnahmen, geboren aus dem Naturrecht jedes bedrückten Menschen, die entstanden sind aus einer spontanen und ureigenen Eingebung Eurerseits, hat zu Ereignissen geführt, über deren Auswirkungen und Stärke wir in Westberlin außerordentlich erstaunt sind.

Als dienstältester demokratischer Gewerkschaftler und Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes östlich der Elbe, kann ich Euch in der Ostzone und Ostberlin keine Anweisungen erteilen. Ich kann Euch nur, aus ehrlichster Verbundenheit, gute Ratschläge geben.

Eure Forderung auf eine menschlich ertragbare Rückführung der Normen, darf von Eurer sogenannten Regierung nicht nur vorübergehend anerkannt werden, sondern sie muss von Dauer sein. Die Löhne müssen pünktlich und gerecht, nach den alten Normen bemessen, bei der nächsten Lohnzahlung schon ausgezahlt werden und es darf demgegenüber nicht nur die Erhaltung der jetzigen Lebensmittelpreise, sondern eine sofortige Senkung erfolgen, damit Ihr Eure menschliche Arbeitskraft erhalten könnt.

Die Maßnahmen, die Ihr als Ostberliner Bauarbeiter in voller eigener Verantwortung und ohne fremde Einmischung selbst beschlossen habt, erfüllen uns mit Bewunderung und Genugtuung. Ihr könnt diese Forderungen, gestützt auf die in der sowjetischen Besatzungszone geltenden menschlichen Grundrechte der Verfassung, mit vollem Recht verlangen.
Eure Regierung hat selber diese Grundrechte beschlossen und damit auch für Euch die Freiheit zum Kampf für bessere Arbeitsverhältnisse gestattet. Die gesamte Ostberliner Bevölkerung darf deshalb auf die stärksten und erfolgreichsten Gruppen des Ostberliner Arbeiterbewegung vertrauen.

Lasst sie nicht allein!

Sie alle kämpfen nicht nur für die sozialen Rechte der Arbeitnehmer, sondern für die allgemeinen Menschenrechte der gesamten Ostberliner und ostzonalen Bevölkerung.
Tretet darum der Bewegung der Ostberliner Bauarbeiter, BVGer und Eisenbahner bei und sucht Eure Straußbeger Plätze überall auf! Je größer die Beteiligung ist, je machtvoller und disziplinierter wird die Bewegung für Euch mit gutem Erfolg verlaufen.

Die Arbeitnehmer vom Deutschen Gewerkschaftsbund begrüßen Euren Kampf um die elementarsten Rechte der Arbeitnehmer, versichern Euch unserer brüderlichen Zuneigung und glauben, dass Ihr den Kampf in guter Haltung zu einem besseren Ende führen werdet!

Das Politbüro nimmt zu spät die Arbeitsnormerhöhung zurück

Im SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ erschien der Beschluss des Politbüros, dass die obligatorischen Normerhöhungen falsch waren und zurückgenommen wurden. Allerdings wurde die Schuld für die Ereignisse des Vortages nicht der eigenen Politik sondern Westberlin zugewiesen. Dieses Zugeständnis kam jedoch zu spät.

Die Demonstranten versammeln sich

Ab 6 Uhr, der Streikaufruf hatte sich rasch herumgesprochen, versammelten sich Tausende auf dem Strausberger Platz und zogen zum Regierungssitz. Im Industriegebiet Oberschöneweide legten zahlreiche Betriebe die Arbeit nieder und zogen in das Stadtzentrum.

Im Bezirk Mitte streikten von den 4.000 in vier Betrieben Beschäftigen ca. 3.300, in Friedrichshain von 10.000 Beschäftigten in zehn Werken nahezu alle, in Köpenick von 24.000 in 13 Betrieben die Hälfte. Dies betraf auch Werke sowjetischer Aktiengesellschaften. Zahllose Resolutionen wurden verfasst und den Gewerkschafts- bzw. Betriebsleitungen übergeben. Die Forderungskataloge waren sich immer einander ähnlich: Ablösung der Regierung, Auflösung des hauptamtlichen FDGB-Apparates, freie Wahlen, Senkung der HO-Preise um 40 Prozent.

Ständig trafen neue Demonstrationszüge in der Leipziger Straße, am Potsdamer Platz und in den angrenzenden Straßen ein. Sprechchöre forderten den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen und die Einheit Deutschlands.

Gegen 10 Uhr hatten die Demonstrierende alle Sektorengrenzschilder, Propagandaschilder und Fahnenmasten am Potsdamer Platz zerstört, Kioske und Baracken in Brand gesetzt. Die Situation eskalierte immer mehr, die Volkspolizeiwache im Columbushaus am Potsdamer Platz wurde gestürmt, Waffen und Bekleidungsstücke aus dem Fenster geworfen und der Westberliner Polizei übergeben. Einige Polizistinnen und Polizisten zogen es vor, sich in Westberliner Gewahrsam zu begeben.

Gegen 11 Uhr war die Zahl der Demonstrierenden vor dem Haus der Ministerien auf über 100.000 Personen angewachsen. Um 11 Uhr wurde die rote Fahne vom Brandenburger Tor geholt und zerrissen.

Politisierte Proteste

Jetzt ging es den Menschen nicht mehr nur um Normen, das ganze System stand am Pranger. Die Demonstrierenden zogen in Berlin mit folgenden Losungen durch die Innenstadt: 

  • „Freie Wahlen“,
  • „Abzug der Russen“,
  • „Nieder mit Walter Ulbricht“,
  • „Wir wollen nicht nur haben Brot, sondern wir schlagen alle Russen tot“,
  • „Wir fordern den Generalstreik“,
  • „Nieder mit der deutsch-sowjetischen Freundschaft“,
  • „Wir brauchen keine SED“,
  • „Wir brauchen keine Volksarmee“,
  • „Nieder mit der Regierung Grotewohl“.

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Die Situation entgleitet der SED

Gegen Mittag gelang es den Demonstrierenden in einer Reihe von Städten, Haftanstalten, Polizeidienststellen, Einrichtungen der Staatssicherheit, Gebäude der Stadtverwaltungen sowie der SED und Massenorganisationen zu erstürmen.

Auch an anderen Stellen Berlins gingen Demonstrierende gegen Einrichtungen der SED und der Polizei vor. Sie belagerten das Haus des Zentralkomitees der SED an der Prenzlauer Allee und warfen Fensterscheiben ein. Sowjetische Truppen verhinderten hier wie am Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz die Erstürmung der Gebäude. Andere Demonstrierende stürmten ein Gebäude des Ministeriums für Staatssicherheit in der Friedrichstraße und das Verlagsgebäude des FDGB in der Chausseestraße.

Im Verlauf des Volksaufstands am 17. Juni drohte der SED, die Macht vollkommen zu entgleiten. An mehreren Orten waren die Partei-, Volkspolizei-, ja sogar die MfS-Zentrale besetzt worden. Die ostdeutschen Kommunisten verfügten über kein Machtmittel mehr, von sich aus den Aufstand zu ersticken. Über eine reguläre Armee verfügte die DDR damals noch nicht. Ihre Rolle nahmen die paramilitärischen Verbände der kasernierten Volkspolizei, eine Art hochgerüstete Bereitschaftspolizei, ein.

Die sowjetische Führung entschloss sich, ihre Rechte als Besatzungsmacht wieder aufleben zu lassen. Gegen Mittag trafen russische Truppen in der Leipziger Straße und am Potsdamer Platz ein. Ein erster Toter war zu beklagen, als Unter den Linden / Am Zeughaus russische Fahrzeuge in eine Menschenmenge hinein fuhren.

Sowjetische Panzer und Truppen der kasernierten Volkspolizei begannen, die Umgebung des Regierungssitzes unter Einsatz von Schusswaffen zu räumen. Dabei gab es zahlreiche Verletzte und auch Tote. Die Demonstrierenden konnten nur mit Schmährufen, Knüppeln und Steinen antworten. Zahlreiche Menschen flüchteten in den Westsektor bzw. wurden dorthin abgedrängt. Viele konnten danach wegen Schließung der Sektorenübergänge nicht mehr zurück; noch Ende Juni betreuten Westberliner Stellen über 4.000 Ostberlinerinnen und Ostberliner in behelfsmäßigen Unterkünften.

Um 13 Uhr wurde durch „Befehl des Militärkommandanten des sowjetischen Sektors von Berlin“ in 167 von 217 Stadt- und Landkreisen der Ausnahmezustand verhängt.

Erklärung des Ausnahmezustandes im sowjetischen Sektor von Berlin

Für die Herbeiführung einer festen öffentlichen Ordnung im sowjetischen Sektor von Berlin wird befohlen:

  1. Ab 13 Uhr des 17. Juni wird im sowjetischen Sektor von Berlin der Ausnahmezustand verhängt.  
  2. Alle Demonstrationen, Versammlungen, Kundgebungen und sonstige Menschenansammlungen über drei Personen werden auf Straßen und Plätzen wie auch in öffentlichen Gebäuden verboten.  
  3. Jeglicher Verkehr von Fußgängern und der Verkehr von Kraftfahrzeugen und anderen Fahrzeugen wird von 21 Uhr bis 5 Uhr verboten, diejenigen, die gegen diesen Befehl verstoßen, werden nach den Kriegsgesetzen bestraft.

Militärkommandant des sowjetischen Sektors von Berlin, gez. Dibrowa, Generalmajor.

Die Sektorengrenzen wurden durch Heranführung weiterer sowjetischer Truppen hermetisch abgeriegelt, am Abend wurden ca. 20.000 sowjetische Soldaten und 15.000 Angehörige der „kasernierten Volkspolizei“ (KVP) eingesetzt, der Verkehr ruhte seit langem. Erst in den späten Abendstunden beruhigte sich die Lage, überall in der Stadt patrouillierten Truppen. Zwischen 21 und 5 Uhr wurde DDR-weit eine Ausgangssperre verhängt. In den Abendstunden konnte der Befehlshaber der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland schließlich nach Moskau melden, dass im Land weitgehend Ruhe herrsche und die Lage unter Kontrolle sei.

Der Aufstand war blutig niedergeschlagen. Bis Mitternacht wurden auf Westberliner Seite 64 Verletzte und drei Tote gezählt. (Chronik des 17. Juni 1953)

Angaben zu Beteiligten schwanken

Wie viele Menschen sich an diesem Tag im ganzen Land an den Demonstrationen und Streiks beteiligten, ist bis heute unklar. Die Zahlenangaben schwanken zwischen 400.000 und 1,5 Millionen Menschen. Mehr als 13.000 Menschen wurden festgenommen. Darüber hinaus gibt es keine genauen Zahlen über alle Todesopfer. Die Angaben bewegen sich zwischen 50 und 125 Toten. (Tote des 17. Juni 1953)

Die DDR machte den Westen für den Aufstand verantwortlich, mehr noch, sie bezeichnete den Aufstand sogar als westlichen faschistischen Putschversuch.

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Was waren die Folgen des Aufstands?

Nur langsam gelang es der Führung der SED und der Regierung der DDR in den folgenden Monaten, die Lage aus ihrer Sicht zu stabilisieren. Um weitere Konflikte zu verhindern, beschloss die SED nach dem Aufstand soziale Konzessionen zu machen. Die Normerhöhungen wurden rückgängig gemacht, die Löhne für Arbeiterinnen und Arbeiter wurden angehoben und die Nahrungsmittelindustrie wurde jetzt anstatt der Schwerindustrie gefördert. In den HO-Geschäften wurden fast alle Waren um zehn bis 25 Prozent billiger.

Die Angst vor dem Verlust der Macht führte zu einem Ausbau des Repressivapparates, der bis zum Ende der DDR 1989 ständig vervollkommnet wurde.

Die Sowjetunion machte Zugeständnisse und erklärte sich bereit, die Besatzungskosten auf fünf Prozent des Staatshaushaltes der DDR zu begrenzen, sowie ab 1954 auf alle Kriegsreparationen zu verzichten. Sie lieferten stattdessen Getreide. Betriebe, die sich seit dem Krieg in sowjetischem Besitz befanden, wurden der DDR als Staatsbesitz übereignet.

Die Charlottenburger Chausee vor dem Brandenburger Tor wurde zur Erinnerung an die bei dem Juni-Aufstand ums Leben Gekommenen in „Straße des 17. Juni“ umbenannt. Das Foto wurde wenige Tage nach dem Aufstand am 24. Juni 1953 aufgenommen.

Die Westmächte und die Bundesrepublik wurden von dem Aufstand überrascht. Die politischen und wirtschaftlichen Probleme der DDR waren den Westmächten gut bekannt, doch erwarteten sie keine derartigen Massenproteste, die so schnell zu einem Volksaufstand anwachsen waren. Ohne das Einschreiten der sowjetischen Truppen wäre die Herrschaft der SED vermutlich schon vier Jahre nach der Staatsgründung an ihr Ende gelangt.

Für die westliche Welt wurde der 17. Juni 1953 zum Symbol für den Freiheitswillen der Bevölkerung in der DDR. Die Niederschlagung des Aufstandes durch sowjetische Panzer wurde zum offensichtlichen Beweis der Abhängigkeit der DDR von Moskau. Damit war sowohl für den Westen als auch für den Osten der Kurs und die Geschichte der deutschen Teilung bis zum Herbst 1989 bestimmt.

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Ehemaliger Tag der Deutschen Einheit

Das Gedenken an den Aufstand wurde zum nationalen Anliegen. Nur wenige Tage nach dem Aufstand verabschiedete der Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit gegen die Stimmen der KPD das „Gesetz über den Tag der deutschen Einheit“.

Durch das Gesetz vom 4. August 1953 wurde der 17. Juni in der Bundesrepublik Deutschland zum gesetzlichen Feiertag erklärt und zehn Jahre später durch Proklamation des Bundespräsidenten Heinrich Lübke vom 11. Juni 1963 zum „nationalen Gedenktag“ erhoben. Bis zur Wiederherstellung der Deutschen Einheit im Jahr 1990 wurde der 17. Juni als Tag der Deutschen Einheit begangen.

Nach Wiedererlangung der Deutschen Einheit wurde der 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit erklärt. Das Gesetz vom 4. August 1953 wurde aufgehoben, die Proklamation des Bundespräsidenten vom 11. Juni 1963 hat aber nach wie vor Gültigkeit. Der 17. Juni ist seitdem Gedenktag.

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Linksammlung

Weiterführende Informationen & Unterrichtsmaterialien

Weiterführende Links

  • Webportal: 17. Juni 1953
    Ein umfassendes multimediales Webportal zu Ursachen, Verlauf und Folgen der Geschehnisse am 17. Juni 1953. Von der Bundeszentrale für politische Bildung, DeutschlandRadio und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam.
     

  • Dossier: Aufstand des 17. Juni
    Das Online-Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung gibt einen Überblick über den 17. Juni 1953 - mit interaktiven Karten, Fotos, Interviews und Ton- und Filmdokumenten. Vorgeschichte und Verlauf des Aufstandes werden dabei ebenso beleuchtet wie seine Folgen.
     

  • Zeitschrift: 1953

    Zum 70. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR zieht das Heft der Reihe "Aus Politik und Zeitgeschichte" (2023) eine zeithistorische Bilanz. Untersucht werden u.a. die Aufarbeitung Volkasaufstandes, der kalte Krieg und die Gesellschaften der beiden deutschen Staaten in den 1950er Jahren.
     

  • Bundesregierung: 17. Juni 1953 – Historischer Tag für Deutschland
    Überblick über den Aufstand und den Gedenktag sowie eine Fotoreihe, Dokumente und Links.

  • Themenschwerpunkt: 17. Juni 1953
    Zum 60. Jahrestag des Volksaufstandes hat die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur dem Datum einen aktuellen Themenschwerpunkt auf der Webseite gewidmet. Mit Zeitzeugeninterviews, Dokumenten sowie Anregungen für den Schulunterricht.
     
  • Lebendiges Museum Online: 17. Juni 1953
    Historischer Überblick zum Volksaufstand, ein Webangebot der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
     
  • Planet Wissen: 17. Juni 1953 – der Aufstand
    Historischer Überblick über den 17. Juni 1953 auf der Plattform "Planet Wissen".
     
  • Storytelling: Volksaufstand des 17. Juni 1953
    Multimedial wird die Geschichte des Volksaufstands im Storytelling-Format auf den Seiten des Stasi-Unterlagen-Archivs erzählt.
     
  • Stasi-Mediathek: Der 17. Juni 1953 in Dokumenten
    Auf den Seiten der Stasi-Mediathek finden sich zahlreiche Dokumente zum Volksaufstand aus dem Stasi-Archiv.
     
  • Umfrage: Was ist ein Volksaufstand?
    Das Onlineportal DeineGeschichte hat, gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung, eine Videoumfrage zum Volksaufstand am 17. Juni 1953 gestartet.
     
  • www.volksaufstand-1953.de
    Persönliche Erinnerungen des Streikführers Karl-Heinz Pahling an Aufstand und Haft - Bilder, Berichte, Links, Literatur.
     
  • Bundespräsidenten-Rede zur 50. Wiederkehr des 17. Juni 1953
    Rede von Bundespräsident Johannes Rau bei der Gedenkveranstaltung im Deutschen Bundestag anlässlich der fünfzigsten Wiederkehr des 17. Juni 1953.

Unterrichtsmaterialien

  • Unterrichtsmaterialien: 17. Juni 1953
    Die Seite des Webportals "DDR im Unterricht" der LpB beinhaltet Hilfestellungen und Tipps, wie Sie die Thematik der DDR-Geschichte im Unterricht sinnvoll aufbereiten können.
     
  • Comic: Die Geschichte von Armin und Eva
    Der Comic zum 17. Juni 1953 von der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung macht die historischen Ereignisse auf eine neue Art erfahrbar. "Die Geschichte von Armin und Eva“ ist spannend, weil sie wahr sein könnte.

DDR im Unterricht

Das Portal bietet zahlreiche Hilfestellungen und nützliche Hinweise, wie das Lernfeld DDR im Schulunterricht sinnvoll vermittelt werden kann.
www.ddr-im-unterricht.de

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Stand der Aktualisierung: Juni 2023, Internetredaktion der LpB BW

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